Nachrichten lassen sich offenbar nur noch verkaufen, wenn Blut fließt, es Bomben hagelt oder Menschen in Afrika eines grausamen Hungertodes sterben. Diese Nachrichten werden mit spektakulären Fotos gewissermaßen authentifiziert, sprich lebendig gemacht. Leben wir „User“ nur noch von der Dramatik, die sich täglich mit neuen Hiobsbotschaften rund um den Globus in Echtzeit vernehmen lässt? Sind wir also doch Vampire, die nach fremdem Blut lechzen?

Die Beobachtung im Alltag

Seit einem Monat tobt im Gazastreifen ein fürchterlicher Krieg, bei dem beinahe ausschließlich Zivilisten, Männer, Frauen, Kinder den Tod finden. Die Kamera der Medienanstalten immer mittendrin. Die aufklärenden Reportagen der Journalisten möglichst nahe an der Tragödie. Seit 1 ¾ Jahren tobt Putins Angriffskrieg gegen die verzweifelt sich wehrenden Ukrainer. Die Dramatik unterscheidet sich überhaupt nicht von der des Kriegsgeschehens im Nahen Osten. Dennoch ist aktuell das Zielfernrohr der Medien nur noch auf den Nahen Osten gerichtet. Da fließt offenbar das frischere Blut! Grauenhaft! Der Ukrainekonflikt hat sich quasi journalistisch abgewetzt. Abgelenkt von allen anderen Nachrichten wie dem Hunger in Afrika, Erdbeben in Nepal, Flutopfern in X oder Y wird dem medialen Nutzer nur noch die aktuellste, die dramatischte Nachricht überbracht. Geht es hierbei um Einschalt-, Klick- oder andere Quote oder was treiben die Journalisten mit uns Menschen, die hier im friedlichen Deutschland zusehend unruhiger und ängstlicher werden?

Der Journalismus in der Flaute

Spektakuläre Nachrichten heute Morgen im Rundfunk: Tiefgaragenbrand in Niederbayern. Keiner kam zu Schaden. Wenigstens keine Horrornachricht. So kann der Tag beginnen, aber wo ist bitteschön die ausgewogenen Nachrichtenauswahl? Was interessiert den Nutzer der Medien wirklich? Muss er alles konsumieren, was ihm oder ihr vorgesetzt wird? Wohin würde der Journalismus in die Bedeutungslosigkeit abdriften, wenn die Welt ihren Frieden finden würde? Würden dann Nachrichten wie „X, Y erhält für ihre herausragenden Leistungen bei der medizinischen Grundlagenforschung für den Sieg über Krebs die „Soundso-Medaille“ oder „Deutschland hat als erstes Land der UN ein Rahmenabkommen mit dem Senegal geschlossen, wonach deutsches Getreide zum dort üblichen Marktpreis und nicht wie bislang zum subventionierten Preis zur Linderung des Hungers geliefert wird“ usw. Gibt es eine journalistische Ethikkommission, die Standards für eine ausgewogene, nicht über dramatisierende Berichterstattung verabschiedet? Ja, Auflagen der deutschen Printmedien gehen immer weiter zurück. Alle Nutzer holen sich ihre Informationen mittlerweile über die digitalen Medien, doch weniger blutrünstig sind diese dort auch nicht. Wirkt am Ende der Horrorjournalismus als letzte Hoffnung für den Klassenerhalt?

Das Fernsehen bedient den Volksgeschmack

Keinen Deut besser oder weniger „blutrünstig“ ist das deutsche Fernsehen. Der Vorteil der Remote Control ist, dass der Nutzer bequem in seinem Sessel sitzen bleiben kann, um nicht mehr für jeden Programmwechsel aufzustehen. Wer ist verantwortlich bei den Fernsehsendern für die Überflutung der deutschen Wohnzimmer mit schalen Krimis, egal ob öffentlich/rechtlich oder privat? Fernsehen könnte doch durchaus auch verstärkt ein Informationsdienstleister sein, ich meine zu den Peak-Seasons, nicht nachts um 23.30 Uhr. Die Frage nach Henne oder Ei, will heißen, wer macht das Programm – der Nutzer oder der Anbieter? Gibt es denn nicht für den allgemeinen Volksgeschmack, den es zunächst zu definieren gilt, ein Programm, das auf seine Art die Einschaltquoten abseits der Krimiflut allgemeines, nachhaltiges Interesse fördern würde? Wenn allseits die Allgemeinbildung auf niedrigem Stand beklagt wird, weil das gute Buch nur noch als Fototapete deutsche Haushalte ziert, könnte doch zumindest der öffentlich/rechtliche Auftrag der Fernsehanstalten sein, höchst spannende, informative, bildende, animierende Sendungen zu den Peak-Seasons zu bringen, die jedermann und -frau mit Begeisterung einschalten würde. Bei allen Medien müsste doch intensiver in Diversifikation, Corporate Identity, Zuschauer und Zuhörerwünsche investiert werden als das nach meiner Einschätzung bislang gemacht wird. Oder sind wir alle auf einem dermaßen niedrigen Niveau gelandet, auf dem nur Kommissar xyz uns in den Vormitternachtsschlaf begleitet?

Journalismus hat einen Staatsauftrag wahrzunehmen

In einer Welt, die uns mit einem Mausklick quasi ins Wohnzimmer befördert wird, hat der Journalismus eine deutlich brisantere Aufgabe als nur den vermeintlichen Volksgeschmack durch Soaps, Krimis etc. abzubilden. Meinungsinstitute haben den Auftrag, genau zu eruieren, ob hinter dem billigen Krimiwunsch nicht ggf. auch noch ein „Bildungswunsch“ schlummert, der wachgerüttelt werden muss. Bei der Überhäufung der Horrorszenarien, gestellt oder real, wird der Bürger zusehend ängstlich und verwirrt, kann er doch nicht mehr wirklich Fiktion von der Realität unterscheiden. Gerade in diesen Zeiten gehört dem Bildungsauftrag im klassischen Sinne mehr Raum gegeben, selbst wenn hin und wieder der eine oder andere Krimi-Fan ohne rauchende Colts im Sessel einschläft.

Zum Autor: Georg-W.Moeller, Motivationscamp