Agilität ist zum Schlüsselbegriff der digitalen Zeitenwende geworden. Es steht für Wendigkeit und Flexibilität, Schnelligkeit und rasches Reagieren auch auf unvermutete Wendungen und Situationen. Im Tierreich ist es das Chamäleon, das sich in Gestalt wechselnder Farben den aktuellen Erfordernissen seiner Umgebung anpasst. Diese Art der Klugheit firmiert heute unter der Begrifflichkeit Agilität und ist Merkmal der Evolution: die Anpassungsfähigsten überleben.

Zauberwort Agilität: Work Hacks ersetzen Prozesse

Im Unternehmenskontext spiegelt sich die Klugheit des Chamäleons im sog. agilen Management mit neuen Formen der Projektarbeit im Team. Bekannt vor allem durch Methoden wie Scrum, Kanban und Design Thinking. Weniger bekannte Methoden, aus der gleichen Denkweise entstanden, sind PMI ACP resp. ACI oder „Price2agile“ Fast sämtliche agile Methoden wurzeln in der Informationstechnik (IT). Absolut affin zur IT-Nomenklatur bezeichnen die meist jungen Unternehmen, die mit diesen Tools arbeiten, ihre Arbeitsprozesse als „Work Hacks“.

„Rugby für das Büro“ titelte die FAZ

Anfang der 90er erkannten die Softwareentwickler Ken Schwaber und Jeff Sutherland, dass sie bei immer komplexer werdenden Softwareprojekten mit den gewohnt langen Planungsphasen und starren Hierarchien immer schlechter zurechtkamen. Scrum wurde geboren. „Scrum“ leitet sich aus dem anglo-amerikanischen Nationalspiel Rugby ab. Sowohl der eiförmige Ball als auch bestimmte Spielsituationen werden als Scrum bezeichnet. Charakteristisch für das Spiel ist die Selbstorganisation des Teams und das rasche Reagieren auf überraschende Angriffe oder Spielchancen. So läuft auch Projekt- und Teamarbeit im Stil von Scrum. Ein Projekt oder ein Produkt wird mit einem sich selbst-organisierenden, abteilungsübergreifenden Team in Zyklen, sog. Sprints, entwickelt. Es gibt zwei entscheidende Paradigmenwechseln zum klassischem Projektmanagement.

Stetiges Feedback sowie die Konstanten Zeit und Budget

Im klassischen Projektmanagement beziehen sich die Produktteams in ihrer Arbeit auf intern definierte Maßstäbe. Bei Scrum geschieht die Entwicklung eines Projekts oder Produkts in enger Kooperation mit dem Kunden bzw. Auftraggeber. Dieser gibt im iterativen Prozess der Entwicklung immer wieder Feedback, damit das Produkt sich wirklich in die vom Kunden gewünschte Richtung entwickelt.

Bei klassischer Projektarbeit herrscht zum zweiten die sog. planungsgetriebene Entwicklung vor. Eine Leitlinie legt den Umfang des Gesamtprojekts fest: das muss rauskommen! Mit der oft auftretenden Folge, dass angesichts des ehrgeizigen Ziels Zeit und Budget nicht ausreichen oder dass an den Bedürfnissen des Markts vorbeigeplant und gearbeitet wurde.

Scrum legt als Konstanten Zeit und Budget fest. Das Team aus der Auftragnehmer-Firma definiert gemeinsam mit dem Kunden, welche Anforderungen an das Produkt im Rahmen dieser Konstanten realistisch sind. Scrum ist besonders gut geeignet für große, komplexe Aufträge und langfristige Projekte. Es gibt zentrale Rollen und Abläufe:

  • Der Product Owner steht für die Interessen des auftraggebenden Kunden. Er definiert die Anforderungen an das Produkt und sortiert sie nach Dringlichkeit. Der Product Owner kann vom Kunden entsandt werden, es kann aber auch ein Verantwortlicher aus dem Auftragnehmer-Team für diese Aufgabe benannt werden, der Proxy Product Owner.
  • Das Projektteam sucht sich auf dieser Basis, selbstbestimmt und in enger Abstimmung untereinander, die Detailaufgaben heraus, die es in zuvor fest definierten Zeiträumen, den Sprints, erfolgreich bearbeiten kann. Zwischen jedem Sprint gibt es eine Abstimmung mit dem Product Owner. Die Zwischenchecks gewährleisten eine sinnvolle Entwicklung: Statt an Zielen festzuhalten, die zwischenzeitlich überholt sind, ist ein rasches Reagieren auf aktuelle Markterfordernisse möglich.
  • Der Scrum-Master ist der Moderator, der dafür Sorge trägt, dass die Scrum-Regeln verstanden und eingehalten werden. Das „Daily Scrum“ ist ein Treffen aller Akteure, die hier kurz und prägnant über mögliche Störungen im Projekt aber auch Erfolge berichten. Dieses Treffen sollte 15 Minuten nicht übersteigen.

Teil 2 der Reihe: „Alles fließet“ – Arbeiten mit Kanban
Teil 3 der Reihe: In einer VUCA-Welt
Teil 4 der Reihe: Lernende Organisation

Aktuelle Publikation der Autorin: „Elektromobile Arbeitswelt: Agilität in Methoden und innerer Haltung“ im Kompendium „Systemwissen zur E-Mobilität“

Die Autorin ist Gründerin der Verbundinitiative authentisch anders, die sich der grundlegenden Frage stellt: Wie kann eine menschenwürdige Gesellschaft gelingen und welche Impulsfunktion kommt dabei Unternehmen und Organisationen zu?