Ein junger Beraterkollege erzählt von seiner Firma; dort herrsche das Firmen-Du. Er selbst finde das super. Insgesamt sei es eine sehr junge Firma. Es gäbe einen älteren Kollegen – der junge Kollege schätzt ihn so in der 40ern – der konsequent, ob im Einzelgespräch oder in Teamsitzungen, die anderen siezt. „Und was bewirkt bei Euch anderen?“, meine neugierige Frage. „Naja,“ die Antwort, „irgendwie ist dann da so was Verkrampftes.“

„Du“ oder „Sie“: Entscheidung zwischen „Entweder – Oder“?

Soll das nun ein vehementes Plädoyer fürs „Du“ sein? Hm?! Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. In diesem Fall hat der Mann in den 40gern doch sicher schon bei der Bewerbung, spätestens aber beim Vorstellungsgespräch gewusst, dass dieses Unternehmen sich einer Duz-Kultur verschrieben hat? Das sei so, bestätigt mein Gesprächspartner; nun, dann hätte dieser Mann, als überzeugter Anhänger des „Sie“, sich vielleicht doch nochmal sehr genau überlegen sollen, ob das Unternehmen und er wirklich zusammenpassen … Aber auch der Arbeitgeber hätte möglicherweise genauer hinhören sollen

Differenzierungen in der Sprachentwicklung verschliffen

Dass es ein „Sie“ und ein „Du“ gibt, diese Sprachkultur hat es ursprünglich auch im Englischen gegeben. Dort wurde zwischen „thou“ und „you“ unterschieden. Wie es dazu kam, dass diese Unterscheidung in der Sprachentwicklung wegfiel, ist ein eigene, sehr komplexe Geschichte für sich. Heute nun berufen sich Verfechter des generellen „Du“ gern darauf, dies würde alles so viel leichter, so viel unkomplizierter machen. Dass dies so sei, sähe man ja am lockeren Umgang miteinander in Anglo-amerikanischen Firmen. Ist das so?

Wie halten es denn nun die „Amis“?

Geschäftsleute jedenfalls, die über viele Jahre beruflich in den USA waren und sind, erzählen etwas anderes. Durch den Wegfall des Differenzierungsmerkmals gewinnen Mimik, Gestik, Tonfall umso stärker an Bedeutung, um deutlich zu machen, dass selbst im Falle des „You“ in Kombination mit dem Vornamen keineswegs selbstverständlich freundschaftliche Bindungen gemeint sein müssen. Insbesondere durch den Fokus auf Titel wie CEO, Vice President etc., würde der Abstand, das gemeinte „Sie“ deutlich, insbesondere in den USA würden diese Hierarchien sogar zelebriert.

Macht das „Du“ tradierte Hierarchien obsolet?

Hier, in unserem Sprachraum, noch ist es so (zumindest nicht selten ab den älteren Generationen aufwärts), verbinden wir mit dem „Du“ doch noch recht intensiv auch freundschaftliche Beziehungen. Kann man davon im Unternehmen ausgehen? In einer jungen Firma, mit einer alle verbindenden Idee, liegt das nahe – und ist dann etwas Selbstverständliches. Was aber, wenn es sich um ein traditionsgebundenes Unternehmen, etwa eine Klinik mit ihren immer noch ausgeprägten Hierarchien handelt? Auch alteingesessene Familienunternehmen gehören in diese Kategorie. Stellt sich dann mit dem „Du“ eine automatische Leichtigkeit ein – etwa zwischen Chef- und Arzt im Praktikum oder zwischen Firmenpatriarch und Azubi? Die Frage lasse ich hier bewusst offen ….

Wie vertragen sich „Du“ und Gestaltungsspielräume?

In jedem Fall haben die in der Hierarchie oben Stehenden andere Spielräume, im Unternehmen zu gestalten, zu entscheiden. Der Kolumnist Wolf Lotter arbeitet dies in seinem Essay in der WirtschaftsWoche wunderbar heraus. Sie haben zudem oft die Macht, über das berufliche Werden und Gedeihen der jungen Mitarbeiter zu entscheiden, mindestens aber, hier Einfluss auszuüben; ist das die „Augenhöhe“, die so gern mit dem „Du“ beschworen wird? Welche Gestaltungsbefugnisse hat umgekehrt die „Rangniedere“? Denn, was wir mit dem „Du“ auch verbinden, ist ein „Gleichauf-Sein“, eine Berechtigung zum Nein-Sagen – und darüber hinaus, auch wechselseitig Forderungen stellen können. Ob das in den eben genannten Konstellationen möglich ist?

Entscheidende Indikatoren für ein wahrhaftiges „Du“

Und nun: was denn nun? Du oder Sie? Entscheidende Kriterien könnten sein: „Druck“ zum „Du“ oder nicht „Druck“, Wahrhaftigkeit oder nicht Wahrhaftigkeit des „Du“.
Zum Druck: Wird ein „Du“ hierarchisch vorgegeben, ohne dass dies von der gesamten Belegschaft wirklich gewollt wird, vielleicht sogar so mancher sich heimlich wünscht, wieder „Sie“ zur Chefin sagen zu dürfen – dann verletzt das verordnete „Du“ die Gestaltungssphäre derjenigen, die sich dagegen nicht wehren können, weil sie befürchten, sonst als ungesellig, oder gar den Teamgeist störend zu gelten.
Zur Wahrhaftigkeit: Soll durch das „Du“ etwas behauptet werden, das der Wirklichkeit nicht standhält – etwa eine, „wir sind ja alle so locker“-Arbeitsatmosphäre, in Wirklichkeit herrscht fast eine Art Kasernenton – dann, ja dann sollten wir dankbar sein für die Unterscheidung, die uns das „Sie“ ermöglicht.…

Für Bewerber: In der Stellenanzeige wird geduzt – und was mache ich?

Fall 1: Soll der Bewerber bereits im Bewerbungsschreiben zurück duzen?

Grundsätzlich ja. Schließich hat der mögliche künftige Arbeitgeber den Startschuss abgegeben. Eine Ausnahme: Besteht die adressierte Zielgruppe aus sehr jungen Menschen, etwa Azubis oder Schülern, die sich für ein Praktikum bewerben, ist diesen anzuraten, mit „Sie“ zu antworten. Denn in diesem Fall fiel die Entscheidung des ausschreibenden Unternehmens für einseitige Du wohl aus Erfahrungen, die auch Lehrkräfte an Schulen immer öfter machen: Schüler der Oberstufe bitten darum, geduzt zu werden – ohne daraus die Erwartung abzuleiten, die Lehrkraft auch zu duzen.

Fall 2: Der Bewerber nutzt in der Ausschreibung das „Sie“

Mit einer höflichen Begründung, wie etwa: „In formalen Angelegenheiten würde ich zunächst gern beim „Sie“ bleiben. Das „Du“ gern beim persönlichen Kennenlernen“, zeigt ein Bewerber auch Profil. Sie erinnern sich an den Mann in den 40ern in der Firma mit Duz-Kultur? Spätestens im Auswahlgespräch hätte nicht nur ihm, sondern auch der Arbeitgeberin klar sein müssen: Hier passen zwei einfach nicht zusammen.

Fall 3: Der goldene Mittelweg?

Wer hat das noch nicht gehört? Supermarkt: Zwei Verkäuferinnen im Plausch, die eine: “Du, Frau Schulz, da liegt noch was an“, die andere: „Klar, wird gemacht, Frau Mayer“. Wir nennen es hier mal das Supermarkt-Sie. Das ist in Bewerbungsschreiben eher nicht angebracht. Ein Ausweg könnte das „Hamburger Du“ sein, Vorname und „Sie“. In sog. höheren Kreisen ist das bis heute Usus: Angestellte, etwa die Reinmachkraft oder das Kindermädchen, werden von den Auftraggebern mit Vornamen und „Sie“ angesprochen, umgekehrt reden diese ihre Auftraggeberin mit Nachnamen und „Sie“ an. Passt allerdings im Bewerbungsschreiben weniger, denn: Die Bewerberin ist ja nicht die mögliche Arbeitgeberin, umgekehrt wird ein Schuh draus ….

In Anlehnung an Careerguide

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Autorin: Katharina Elisabeth Daniels, www.daniels-kommunikation.de, „Authentisch-Anders„, bei LinkedIn: Profil; Unternehmensporträt bei LinkedIn Daniels, Flockenhaus & Partner