Cafés, Kinos, Restaurants, Fitnessstudios: alles dicht. Stirbt auch die Arbeit an dem Virus oder muss zumindest für eine längere Zeit auf die ökonomische Intensivstation? Dax-Konzerne werden von der Politik künstlich beatmet, damit ja die VIPs der Wirtschaftswelt nicht den Löffel abgeben. Stellen wir uns lieber nicht vor, dass in der Presse die Nachricht auftaucht, dass plötzlich zigtausende Arbeitende aufgrund einer Insolvenz den Gang zur Agentur für Arbeit antreten müssen. Ein fürchterliches Medienspektakel wäre das. Aber wen schert´s, wenn Zug um Zug kleinere Unternehmen über die Klippe der Wirtschaft springen? Heute vertiefen wir inhaltlich unseren Podcast „Arbeit und Wirtschaft: Mut statt Angst“ aus unserer Podcast-Reihe „Tür zur Zukunft“

Corona ist nur das Symptom, nicht aber der Befund

Unsere Arbeitswelt verändert sich nicht erst seit 2020 dramatisch. Zwar registrierten wir beinahe Vollbeschäftigung, volle Auftragsbücher, nie geahnte Einkünfte für den Staat aus Arbeit, d. h. Lohn- und Einkommenssteuer. Entwicklungen wie Künstliche Intelligenz ließen auch schon vor der Pandemie Ängste aufkommen, wie es denn mit der Arbeit in unseren Sphären so weitergehen könnte. Die bange Frage nach Erhalt der Arbeitsplätze waberte auch damals schon immer im Raum. Corona hat diese Angst aber nunmehr gegenständlich gemacht.
Grotesk ist seither die Entwicklung der Wirtschaft. Mit Einsetzen der Pandemie wurden die Cassandra-Rufe laut, es ginge der Wirtschaft an den Kragen. Dramatische Umsatz- und Gewinneinbrüche wurden proklamiert. Diese traten im zweiten Quartal auch tatsächlich ein. Im dritten Quartal verzeichnete aber die Wirtschaft schon wieder satte Erholungsdaten. Alles übertrieben, oder ist es das Vor-Beben vor dem eigentlichen Tsunami?

Die Arbeit verändert sich: seit Menschengedenken

Jedwede Veränderung tut weh und schmerzt. Was aber genau schmerzt und tut weh? Ist es nicht alleine die Angst, das gewohnte Terrain verlassen zu müssen, sich auf unbekanntes Gebiet einlassen zu müssen? Ein Blick auf die Historie unserer Arbeit zeigt die krassen Veränderungen, die die Menschheit jeweils nicht nur locker weggesteckt und später akzeptiert hat. Vielmehr dienten die Veränderungen auf lange Sicht hin der Erleichterung des täglichen Tuns. Aus harter Hände Arbeit entwickelte sich die Maschinentätigkeit, aus schweißtreibendem Laufen des Bauern hinter dem vom Rind gezogenen Pflugs entwickelten sich die Giga-Traktoren, die an einem Vormittag ganze Felder versorgen. Buchhalter bewundern längst ihre alten Rechenmaschinen im Museum, mit denen sie vor Jahrzehnten noch Zahlenkolonnen aufaddierten, um Monatsabschlüsse zu erstellen. Alles Schnee von gestern. So ist es auch mit Corona-Patienten in den Kliniken. Der Fortschritt macht es möglich, dass viele Infizierte aufgrund von Wissen der Medizin und entsprechender Technik im Einsatz geheilt werden können. Alles gut?

Die Arbeit erwartet neues Denken, neue Ideen

Die Wirtschaft verändert sich, teils schleichend, teils rasant, Was aber passiert in dieser Zeit mit der Arbeit des Menschen? Verändert sich diese ähnlich dynamisch wie die Wirtschaft oder gibt es hier Nachholpotenzial? Einerseits jammern wir über Fachkräftemangel. Andererseits stellen wir fest, dass aufgrund demografischer Alterung ohnehin viel zu wenige Arbeitskräfte dem Markt zur Verfügung stehen. Auch die Jobs für Basisarbeiter können nicht ausreichend bedient werden, weil es an Menschen fehlt, die diese Arbeiten ausführen könnten. Die Zeiten der sechziger Jahre sind vorbei, dass die Außen- und Arbeitsminister in Billiglohnländer reisen, um dort Arbeitskräfte für Deutschland anzuwerben. Soll also dieses Drama so weitergehen, dass Arbeit da ist, nicht aber die Arbeiter, die Angestellten, die diese erledigen können? Was ist zu tun?

Die Wirtschaft als Vokabel steht zunächst einmal für den Arbeitgeber, d. h. für den Teil der Bevölkerung, die Arbeit generiert und vergibt. Die Arbeit steht für diejenigen Menschen, die die Arbeit verrichten, erledigen. Wenn jetzt der Arbeitgeber feststellt, dass seine zu vergebende Arbeit aufgrund von Arbeitermangel nicht erledigt werden kann, braucht er – der Arbeitgeber – einen Konzeptwandel.  Bislang gilt vornehmlich, dass der arbeitende Mensch dem Unternehmen, der Wirtschaft zwischen 35 und 40 Stunden pro Woche zur Verfügung zu stehen habe. Ist das noch zeitgemäß? Wollen alle Arbeitnehmer, oder die, die es noch zu requirieren gilt, dieses Modell weiter bedienen? Arbeitszeiten- und -bedingungen flexibilisieren scheint das Gebot der Stunde zu sein.

Arbeitszeiten frei nach Gusto und Bedarf

Die Digitalisierung sollte es ermöglichen, dass der Arbeitsmarkt ein Höchstmaß an flexibler Arbeitszeitgestaltung ermöglicht. Vielleicht will eine junge Familie das ehemalige Konzept verlassen, dass „er“ der Brötchengeber ist und „sie“ sich neben der Familie nur mit einem belanglosen Teilzeitjob zufriedengibt oder gar nicht arbeitet (Ausnahme). Möglicherweise wollen beide Partner ihre erworbenen beruflichen Kenntnisse voll nutzen, aber nur jeweils zwanzig oder dreißig Stunden in der Woche arbeiten. Hierbei geht es gar nicht um das „Dolce Vita“, also per se weniger zu arbeiten, sondern um zeitgemäße Aufgabenteilung im Privaten. Vater erhält mehr Gelegenheit, die Vaterrolle auszufüllen, Aufgaben im gemeinsamen Haushalt zu erledigen, Mutter nimmt ihre Talente und Fähigkeiten wahr und stellt sich nach der Elternzeit wieder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. So oft und so viel wie sie möchte. Hierauf reagiert der Arbeitgeber und schaut, welche bislang Vollzeitstelle nicht viel effektiver mit zwei qualifizierten Teilzeitstellen besetzt werden kann. Vorteile liegen auf der Hand bei der Effektivität einerseits, Innovationen andererseits, aber auch im Falle von Urlaub und Krankheit.

Starre Arbeitszeitquoten haben eh ausgedient überall dort, wo es um „Saisongeschäft“ geht. Warum kann die Wirtschaft, sprich der Arbeitgeber, nicht zusätzlich mit seiner „Arbeit“, sprich den Arbeitnehmern, vereinbaren, dass überall dort nach Bedarf Arbeit geleistet wird, wo das planerisch möglich ist. Grundvoraussetzung für dieses Gedankenmodell ist natürlich auch die Lösung von althergebrachten Konfrontationsriten: Arbeitgeber gegen Arbeitnehmer. Es geht um partnerschaftliche Planung von Arbeit. Dort, wo das nicht möglich ist, dort, wo ständig ein fester Stamm an Arbeitskräften zur Verfügung stehen muss, wird sich sicherlich auch eine entsprechende Mannschaft formieren lassen, die sich auch aus Interesse, Neigung, Bildungsstand, Ehrgeiz etc. zu „althergebrachten“ Arbeitszeitmodellen bekennt. Warum muss eigentlich ein Mensch mit 65 plus den Stempel „alt“, „Rentner“, „Pensionär“ auf der Stirn tragen?

Oldie but Goldie: wertvoll an Arbeitskraft und Erfahrung

Bismarck hat vor 130 Jahren die geniale Idee realisiert, den alten Menschen finanziell abzusichern und nicht der arbeitenden Gesellschaft zur Last zu legen, sobald dieser alte Mensch aus dem Arbeitsleben austritt. Mit 65 war der Mensch gewissermaßen damals „abgearbeitet“. Es ging nicht mehr. Schon in der Bibel wurde erwähnt, dass ein Menschenleben 70, wenn´s hochkommt, 80 Jahre währt, und eine von Bismarck eingeführte Rente ohnehin nur dem jeweiligen Menschen für ein paar Jährchen gezahlt werden musste.

Das ist heute alles anders. Wer heute mit 65plus aus dem Arbeitsleben ausscheidet, ist im Regelfalle fit für die nächsten 15- 20 oder gar 30 Jahre. Viele Menschen sehnen sich zwar nach dem verdienten Ruhestand, strecken erst einmal alle Viere von sich, um sich zu erholen. Viele dieser Rentner und Pensionäre sind aber auch durchaus willens und in der Lage, ihre Lebenserfahrung und ihre Jahrzehnte lange Expertise aus dem angestammten Beruf nochmals flexibel einzusetzen. Wenn also die Wirtschaft, sprich der Arbeitgeber ruft, rückt der Rentner im Aushilfs- oder sogar reduzierten Teilzeitverhältnis wieder in den Betrieb ein. Beiden Parteien ist geholfen. Der Rentner, Pensionär, bessert sein Altersruhegeld auf, fühlt sich nicht auf das Altenteil abgeschoben. Er oder sie bleibt aktiver Teil der Gesellschaft. Das ist nicht nur für den Körper, sondern auch für die Seele von außerordentlicher Bedeutung. Die Wirtschaft, sprich der Arbeitgeber, hat zusätzlich ein Reservoir, auf das er zurückgreifen kann. Somit wird die Arbeitswelt deutlich flexibilisiert.

Voraussetzung ist natürlich, dass auch die staatliche Administration enorme Vorteile in dieser Flexibilisierung erkennt. Es wäre äußerst kontraproduktiv, wenn nun der Fiskus oder gar die Krankenkassen Morgenluft wittern und auf deutliche Steuermehreinnahmen setzen. Dieser Mehreinsatz, diese Flexibilisierung dienen der Arbeit und der Wirtschaft. Beinahe inaktiv kann der Staat sich dennoch auf Mehreinnahmen freuen, weil allen Beteiligten mehr Einnahmen zur Verfügung stehen werden und in mehr Konsum münden werden. Dies alles gelingt dann, wenn die Logistik stimmt. Das bedeutet, die Kinderbetreuung, die Altenversorgung etc. müssen professionell geregelt werden. Für jedes Kind steht ein Kita-, bzw. Kindergartenplatz zur Verfügung. Schulen arbeiten wie in vielen anderen Ländern „Vollzeit“, d. h. bis abends. Dann werden in diesem Zeitraum aber auch alle schulischen Belange abgearbeitet sind. Alleinerziehende und alle die, die auf gesellschaftliche Richtgrößen, angewiesen sind, müssen stets die Gewissheit haben, ihre vereinbarte Arbeitsleistung auch tatsächlich ungehindert wahrnehmen zu können.

Fazit: Nicht nur Corona verändert auch die Arbeit

Alte Zöpfe zieren hübsche Köpfe. Sie haben oder zumindest hatten jahrzehntelang ihre Daseinsberechtigung. Nun aber braucht es eine neue Frisur. Ab mit den Zöpfen! Die Veränderung ist nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen. Sie lässt uns noch wehmütig an die „guten alten Zeiten“ erinnern und innerlich bremsen. So ist das mit Veränderungen. Wenn wir alle, also die ganze Gesellschaft, die Notwendigkeit für einen „dramatischen“ Wandel in Arbeit und Wirtschaft erkennen, werden wir auch die noch vor uns liegende dramatische Veränderung der demografischen Verschiebung unserer Gesellschaftspyramide locker meistern. Auf geht´s.

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Teil 1 der Blogreihe „Tür zur Zukunft“: Umwelt

Teil 2 der Blogreihe „Tür zur Zukunft“: Bildung

Georg W. Moeller: Führungskräftecoach und Trainer

Über den Autor
Georg-W. Moeller ist Führungskräftecoach und Spezialist für Unternehmernachfolge. Seine Website: gwm coaching plus: Motivationscamp